Phasenkontrastbildgebung ist der Oberbegriff für alle bildgebenden Verfahren, mit denen auch kleine Unterschiede im Brechungsindex innerhalb einer Probe sichtbar gemacht werden können. Solche Verfahren werden immer dann angewandt, wenn die Probe kaum Absorptionskontrast aufweist.

Als Beispiel für ein Objekt, das im sichtbaren Licht praktisch keinen Absorptionskontrast hat, dient hier eine aus transparenter Kunststofffolie geblasene Halbkugel aus dem Bastelbedarf. Es hätte auch eine flache Folie sein können, ich hatte aber diese Halbkugel da. Legt man diese Halbkugel auf eine Zeitung, kann man die Zeitung problemlos lesen (Abbildung 1). In der Ausschnittsvergrößerung erkennt man leichte Verzerrungen der Schrift. Diese Verzerrungen deuten darauf hin, dass die Kunststofffolie nicht überall gleich dick ist oder der Kunststoff nicht überall die gleiche Dichte hat und dadurch die Richtung des durchtretenden Lichts durch Brechung etwas ändert.

Abb. 1: Durch eine transparente Kunststoffhalbkugel kann man eine Zeitung gut lesen.

Die Unterschiede in der Foliendicke oder in der Foliendichte führen zu einer unterschiedlichen Phasenverschiebung an unterschiedlichen Orten der Folie. Beleuchtet man die Folie mit einer punktförmigen Lichtquelle aus großer Entfernung, so ergeben sich auf einem weißen Blatt Papier hinter der Folie die in Abbildung 2 gezeigten Helligkeitsverteilungen. Das Maus-drüber-Bild zeigt eine Folge von Aufnahmen, bei denen der Abstand zwischen der Folie und dem Papier stetig vergrößert wurde. Der helle Fleck in der Bildmitte entsteht durch Reflexionen an der Innenseite der hohlkugelförmigen Folie, wenn die Folie dicht vor dem Papier steht. Die kleinen Winkelablenkungen, die das Licht beim Durchlaufen der Folie erfährt, führen in einem relativ großen Abstand von der Folie dazu, dass an manchen Stellen mehr Licht als im Mittel auftrifft, an anderen Stellen führen sie dagegen zur Bildung dunklerer Schattenbereiche. Da es praktisch keine Absorption gibt, wird das Licht nur umverteilt.

 Phase contrast object

Abb. 2: Helligkeitsverteilung hinter der transparenten, mit einer Punktlichtquelle beleuchteten Kunststoffhalbkugel

Die an diesem Beispiel beschriebenen Effekte lassen sich auch zur Phasenkontrastbildgebung mit Röntgenstrahlung ausnutzen. Damit lassen sich auch im sichtbaren Wellenlängenbereich undurchsichtige Proben ohne Absorptionskontrast untersuchen. Beispiele wären Brustgewebe zur Untersuchung auf Krebsgewebe, die Orientierung von Fasern oder Rissbildung in faserverstärkten Verbundmaterialien wie etwa den Flügeln von Windkraftanlagen oder Veränderungen an den Elektroden von Akkus während der Ladezyklen.

Dazu könnte man einen Röntgendetektor einfach in unterschiedlichen Abständen sehr weit hinter der Probe positionieren. Da die Schwankungen im Brechungindex und damit die Ablenkwinkel für Röntgenstrahlung jedoch extrem klein sind, ergeben sich unpraktisch große Abstände im Bereich von vielen (hundert) Metern.

Phasenkontrastbildgebung mit Talbot-Lau-Effekt

Abbildung 3 zeigt einen praktischeren Aufbau zur Phasenkontrastbildgebung an einer puntkförmigen Röntgenquelle Q, der auf dem Talbot-Lau-Effekt basiert. Darin sind zwei Röntgengitter verbaut, ein phasenschiebendes Gitter G1 und ein Absorptionsgitter G2 und ein ortsauflösender Detektor D.

Aufbau für Phasenkontrastbildgebung

Abb. 3: Anordnung zur Phasenkontrastbildgebung an einer Röntgenpunktquelle Q mit den Röntgengittern G1 und G2, Probe P und Detektor D

Funktion der Komponenten

Die einfallende Röntgenstrahlung wird am Phasengitter G1 gebeugt. In Abbildung 4 sind hinter jeder Gitteröffnung neun Beugungsordnungen als Geraden eingezeichnet. Durch die Überlagerung der verschiedenen Beugungsordnungen ergibt sich eine Intensitätsverteilung ähnlich wie in Abbildung 4, die als Talbot-Teppich bezeichnet wird. Typisch an dieser Intensitätsverteilung ist, dass sich in periodischen Abständen die Intensitätsverteilung wie in der Ebene von G1 wiederholt. Positioniert man das zweite Gitter G2 an einer solchen Stelle, so wird es alles Licht absorbieren (siehe Maus-drüber-Bild).

Talbotteppich

Abb. 4: Überlagerung der Beugungsordnungen hinter dem Gitter G1

Die Probe wird vor (oder auch kurz hinter) dem Gitter G1 positioniert. Beim Durchlaufen der Probe führen die Unterschiede im Brechungsindex der Probe dazu, dass die einfallende Wellenfront leicht deformiert wird. Anders gesagt ändert das Licht in der Probe seine Richtung geringfügig. Dadurch ändern sich die Richtungen der Beugungsordnungen hinter dem Gitter G1 und folglich werden nicht mehr alle Strahlen von Gitter G2 gestoppt. Diese Strahlen treffen den hinter dem Gitter G2 stehenden Detektor. Die Gitterperiode von G2 muss sehr klein sein (im Bereich weniger Mikrometer), um eine hohe Bildauflösung zu erreichen. Da die Detektorpixel (meist in der Größe einiger zehn Mikrometer und mehr) meist deutlich größer sind als die Gitterkonstante von G2, werden üblicherweise mehrere Aufnahmen gemacht, ziwschen denen das Gitter G2 senkrecht zu den Gitterlinien in kleinen Schritten verschoben wird. Mit Hilfe geeigneter Algorithmen lässt sich aus diesen Daten das Bild der Probe rekonstruieren. Ein Aufbau wie in Abbildung 3 funktioniert nur, wenn die Quelle annähernde monochromatisch und punktförmig und damit einigermaßen kohärent ist. Dies ist zum Beispiel bei Synchrotronquellen der Fall.

Wenn als Quelle beispielsweise eine in Laboren übliche Röntgenröhre mit Drehanode verwendet werden soll, ist diese mit Quellfleckdurchmessern im Bereich eines Millimeters nicht mehr als punktförmig anzusehen, zumal der Quellabstand unter einem Meter liegt. In diesem Fall braucht man ein weiteres Gitter G0, das nahe der Quelle steht. Dieses Gitter dient dazu, die Quelle optisch in viele schmale streifenförmige Quellen zu teilen. Diese einzelnen, schmalen Quellen weisen dadurch eine höhere räumliche Kohärenz auf und beleuchten die Probe aus unterschiedlichen Richtungen. Die Gitterkonstanten der Gitter müssen auf die Abstände der Gitter zur Quelle abgestimmt sein, damit der Aufbau funktioniert.

Aufbau für Phasenkontrastbildgebung

Abb. 5: Anordnung zur Phasenkontrastbildgebung an einer Röntgenröhre mit den Röntgengittern G0, G1 und G2, Quelle Q, Probe P und Detektor D

Herstellung der Gitter

Die phasenschiebenden Gitter werden oft durch reaktives Ionentiefenätzen in Siliziumwafer gefertigt, beispielsweise am Paul Scherrer Institut (PSI) in der Schweiz. Dabei ist es entscheidend, eine bestimmte Dicke der Gitter in Strahlrichtung zu realisieren, damit die gewünschte Phasenverschiebung erzielt wird.

Die benötigten Absorptionsgitter werden oft durch Röntgentiefenlithographie und anschließende galvanische Abscheidung von Gold gefertigt, beispielsweise am Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Mikrostrukturtechnik (KIT/IMT) oder von Microworks, siehe Abbildung 6. Dabei werden Gitterperioden von wenigen Mikrometern erreicht. Damit die Absorption der Gitter in Strahlrichtung (in Abb. 6 von oben nach unten) bei Photonenenergien von einigen zehn Kiloelektronenvolt ausreicht, muss zugleich eine Golddicke von über hundert Mikrometern erreicht werden (siehe www.x-ray-optics.de/index.php/optiktypen/beugungsoptiken/fresnel-zonenplatten, Abb. 5). Das große Verhältnis von Goldhöhe zu Gitterlinienbreite von über einhundert stellt eine große prozesstechnische Herausforderung dar.

X-ray absorption grating

Abb. 6: Röntgenabsorptionsgitter mit Goldlamellen auf Titanmembran ©01

Röntgenphasenkontrastaufnahmen

Abbildung 7 zeigt unterschiedliche Aufnahmen eines Axolotl:

(a) Ein Foto im sichtbaren Licht. Man sieht nur die Oberfläche des Tieres.

(b) Eine herkömmliche Radiographie zeigt das Innere des Tieres. Es werden die Unterschiede in der Röntgenabsorption dargestellt. Man erkennt besonders die stark absorbierenden Knochen.

(c) Eine Dunkelfeldaufnahme, bei der die gleiche Aufnahmemethode wie bei Phasenkontrastaufnahmen verwendet wird, die Auswertung aber anders erfolgt. Hier erscheinen feine, poröse, stark streuende Strukturen wie die Oberfläche und die Struktur der Knochen besonders deutlich.

(d) Eine Phasenkontrastaufnahme zeigt Unterschiede im Gewebe sehr klar. Auch die Luftblase im oberen Bildbereich (das tote Tier war schon etwas getrocknet) ist scharf umrissen.

Die Aufnahmen (c) und (d) wurden mit einem aus mehreren kleineren Gittern zusammengesetzten ("gekachelten") Röntgengitter aufgenommen. Da die Fertigung großer Gitterflächen prozessbedingt schwierig ist, wurde am KIT/IMT ein Verfahren zum Kacheln solcher Gitter entwickelt mit bisher maximalen Gitterflächen von 200 mm x 200 mm (Stand 2017). Microworks produziert maximalen Gitterflächen von 400 mm x 100 mm, die ausreichen, um einen menschlichen Brustkorb abzubilden (Stand 2019).

Phasenkontrastbildgebung BILD kommt später

Abb. 7: Phasenkontrastaufnahme eines Axolotl mittels gekachelten Gittern: (a) Foto des Objekts mit Maßstab, (b) Absorptionskontrast, (c) Dunkelfeldbild, (d) Phasenkontrast ©01 [Schr 2017]

 

[Schr 2017] T. J. Schröter, F. Koch, D. Kunka, P. Meyer, S. Tietze, S. Engelhardt, M. Zuber, T. Baumbach, K. Willer, L. Birnbacher, F. Prade, F. Pfeiffer, K.-M. Reichert, A. Hofmann, and J. Mohr,  “Large-area full field X-ray differential phase-contrast imaging using 2D tiled gratings”, J. Phys. D: Appl. Phys. 50, Nr. 22, 225401, 2017

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