Die unterschiedlichen Röntgenspiegeloptiken mit gekrümmten Spiegeln lassen sich nach ihrer Geometrie und der Anordnung der Spiegel zueinander unterscheiden. Die bekanntesten Typen sind Schwarzschild-Optiken, Montel-Optiken,  Kirkpatrick-Baez-Optiken und Wolter-Optiken:

Schwarzschild-Optiken

Montel-Optiken Kirkpatrick-Baez-Optiken Wolter-Optiken

 

Einige typische Parameter von Spiegeloptiken sind in Tabelle 1 aufgelistet.

Parameter Formelzeichen
Typische Werte
Photonenenergie EPhoton 0,01-100 keV
Eingangs- und Ausgangsbrennweite f1, f2 5-10000 mm
Spiegelgröße bSpiegel 2-3000 mm

Verwendete Materialien:

Substrat

TER-Spiegel

Multischichtspiegel

-

 

Glas, BK7, Quarz, Si, ULETM, ZerodurTM

Au, Pt, Rh, Pd, Al, Si, C, Ru

W/C, Mo/Si, Ni/C, Cr/Sc, La/B4C, Ta/Si

Anzahl von Multischichtpaaren  NMultischicht 10-1000
Einzelschichtdicke  dA 1-1000 nm
Multischicht Periode dMultischicht  1-12 nm
Schichtdickenverhältnis Γ 0,2-0,8
Spektrale Reflektivität ρSpiegel 0,1-0,9
Gradient der Schichtdicke αSchicht 0 bis 10-6
Strahldurchmesser dU 0,1 bis 2000 mm
Divergenzwinkel  ΘQuadrat

0,1 mrad (Synchrotron) bis 20 mrad (Laborquellen)

Kβ/Kα-Intensitätsverhältnis I_Kβ/I_Kα 1/50 bis 1/500

Tabelle 1: Typische Parameter von Spiegeloptiken [VDI 2009b]

 

Schwarzschild-Optiken

Schwarzschild-Optiken [Sch 1905] (Abb. 1) bestehen aus zwei sphärischen Spiegeln: einem großen mit einem Loch in der Mitte und einem kleinen. Wenn der Krümmungsradius des großen Spiegels Rgroß ist, dann ist der Krümmungsradius des kleinen Spiegels näherungsweise Rklein = Rgroß / 2. Von der Röntgenquelle (rechts) kommendes Licht wird an der konkaven Seite des großen Spiegels reflektiert, dann an der konvexen Seite des kleinen Spiegels und passiert dann auf dem Weg Richtung Fokus das Loch im großen Spiegel.

Schwarzschild-Optiken werden für weiche Röntgenstrahlung und für extremes UV-Licht (EUV)  eingesetzt. Das Licht wird unter fast senkrechtem Einfall zu den Spiegeloberflächen reflektiert. Deshalb lässt sich eine solche Optik auch nicht für höhere Photonenenergien realisieren.

Schwarzschild-Röntgenoptik

Abb. 1: Prinzip einer Schwarzschild-Optik

 

Montel-Optiken

Montel-Optiken [Mon 1957], im englischen auch "side-by-side"-Optiken genannt, bestehen aus zwei nebeneinander und senkrecht aufeinander stehenden, elliptisch gekrümmten Zylinderspiegeln (Abb. 2). In dem Fall, dass die Lichtquelle oder der Brennpunkt sehr weit entfernt sind, laufen der einfallende bzw. der ausfallende Strahl nahezu parallel zur optischen Achse: dann werden aus den elliptischen Zylinderspiegeln parabolische Zylinderspiegel. Nur die einfallenden Strahlen werden in den Fokuspunkt gespiegelt, die an beiden Spiegelflächen einmal reflektiert werden. Es gibt auch Strahlen, die nur einen der beiden Spiegel treffen. Sie werden in eine vertikale und eine horizontale Fokuslinie reflektiert (Abb. 2 rechts). Außerdem laufen auch Strahlen in Richtung Fokusebene, die keinen der beiden Spiegel getroffen haben. All diese Strahlen müssen durch geeignet geformte Blenden am Eingang und am Ausgang der Optik abgefangen werden.
 

Montel-optics Skizze  

Abb. 2: Prinzip einer Montel-Optik (links) und simulierte Intensitätsverteilung in der Fokusebene, wenn keine Blenden eingesetzt werden (rechts): Schatten der Spiegel (dunkelblau), direkte Strahlen (hellblau), Linienfoci (grün) und Punktfokus (rot)

 

Kirkpatrick-Baez-Optiken

Kirkpatrick-Baez-Optiken [Kir 1948] bestehen aus zwei hintereinander und senkrecht aufeinander stehenden, elliptisch gekrümmten Zylinderspiegeln. Die Oberfläche des ersten Spiegels ist z. B. waagerecht ausgerichtet, die des zweiten Spiegels senkrecht (Abb. 3). Die beiden elliptischen Spiegel haben die gleichen Brennpunkte, so dass die Fokuslinie des ersten Spiegels mit der dazu senkrecht stehenden des zweiten Spiegels in der Fokusebene zusammen fällt. Damit sind der horizontale und der vertikale Abbildungsmaßstab in dem die Lichtquelle abgebildet wird unterschiedlich: eine kreisrunde Quelle ergibt einen elliptischen Fokuspunkt. Die Krümmung der Spiegel wird über ausgeklügelte Präzisionsmechaniken erreicht. Fokusdurchmesser im 50 nm Bereich sind möglich. Die Qualität des Brennpunkts verschlechtert sich rapide, wenn eine ausgedehnte Quelle abgebildet wird. Der Grund hierfür ist, dass KB-Optiken das Abbé-Kriterium nicht erfüllen, weil das Licht in jeder Raumrichtung nur einmal reflektiert wird. Wolter-Optiken erfüllen das Abbé-Kriterium erheblich besser. KB-Spiegel für Synchrotrone sind teuer (einige 100 k€) und schwer (bis zu einigen Tonnen).

Principle of a Kirkpatrick-Baez-optic

Abb. 3: Prinzip einer Kirkpatrick-Baez-Optik

 

Wolter-Optiken

Rotationssymmetrische Wolter-Optiken

Wolter-Optiken sind nach Hans Wolter benannt, der sie 1952 beschrieben hat [Wol 1952]. Typ I Wolter-Optiken (Abb. 6) wurden ursprünglich in der Röntgenmikroskopie eingesetzt, heute werden sie als Wolter-Teleskope eingesetzt. Sie bestehen aus einem elliptischen oder parabolischen, rotationssymmetrischen Spiegel und einem hyperbolischen, rotationssymmetrischen Spiegel. Die Spiegel sind meist Totalreflexionsspiegel. Wolter-Optiken erfüllen das Abbé-Kriterium annähernd und sind damit als abbildende Optik geeignet. Da das Licht nur unter streifendem Einfall reflektiert wird, fängt ein einzelner Spiegel nur einen kleinen Teil des einfallenden Lichts ein. Zum Ausgleich werden mehrere solcher Spiegel konzentrisch zur optischen Achse ineinandergeschachtelt (Abb. 4). Licht, welches eine Spiegelkante, die Haltestrukturen oder in der Mitte der Optik keinen Spiegel trifft, ist verloren.

Wolter optics with alignment spieder structure     Principle of Wolter optics

Abb. 4: Prinzip einer Wolter-Optik: ineinandergeschachtelte Spiegel, mit einer Haltespinne ausgerichtet (links); eine Hälfte einer Wolter-Optik mit Strahlen von der Quelle zum Fokus (rechts), wenn Sie mit der Maus über das Bild fahren, wird der Teil des einfallenden Lichts gezeigt, der verloren geht .

 

Zylindrische Wolter-Optiken

Wolter-Optiken können auch aus elliptischen (oder bei achsparallelen Strahlen parabolischen) und hyperbolischen Zylinderspiegeln aufgebaut werden (Abb. 5). In diesem Fall wird das einfallende Licht durch einen aus elliptischen und hyperbolischen Spiegeln bestehenden Satz senkrecht stehender Spiegel zuerst in horizontaler Richtung fokussiert und trifft dann auf einen Satz horizontal stehender Spiegel, die das Licht in vertikaler Richtung fokussieren.

 

Abb. 5: Wolter-Optik aus Zylinderspiegeln (links); rechts mit Strahlengang (zum besseren Verständnis wurde das obere, vordere Viertel der Optik entfernt), beim Überfahren mit der Maus werden rot die verlorenen Strahlen angezeigt

 

Theorie der Wolter-Optiken

Der Strahlengang in einer Wolter-Optik vom Typ I ist in Abbildung 6 dargestellt. Jeder Strahl wird auf dem Weg von der Quelle (gelber Punkt rechts) bis zum Fokus (links) zuerst an der elliptischen Oberfläche und dann an der hyperbolischen Oberfläche reflektiert.

Die effektive Apertur dieser Optiken wird von zwei Effekten begrenzt. Zum einen ist Licht, das die Kante eines Spiegels oder Haltestrukturen der Spiegel trifft, verloren (sichtbar, wenn die Maus über Abb. 4, 5 und 6 steht). Da der Abstand benachbarter Spiegel mit dem Abstand zur optischen Achse zunimmt, nimmt die effektive Apertur in Richtung optischer Achse um so stärker ab, um so dicker die einzelnen Spiegel sind. Die Spiegel müssen also möglichst dünn sein (auch um das Startgewicht von Satelliten mit Wolter-Teleskopen niedrig zu halten). Zum anderen steigt der Winkel der Spiegel zur optischen Achse mit zunehmendem Abstand des Spiegels zur optischen Achse an. Da der maximale Reflexionswinkel für die höchste, genutzte Photonenenergie feststeht, wird dadurch die maximale Apertur des äußersten Spiegels begrenzt.

Die Effizienz dieser Optiken hängt von dem Verhältnis von effektiver Apertur zur Gesamtapertur, von der Reflektivität der Spiegel und von dem durch die Oberflächenrauigkeit Ra erzeugten Anteil an Streulicht ab (Ra muss mindestens kleiner als 1 nm sein).

Optical path in Wolter optics

Abb. 6: Strahlengang in einer Wolter-Optik vom Typ I; verlorene Strahlen werden beim Überfahren mit der Maus sichtbar

 

H. Wolter hat drei Typen der so genannten Wolter-Optiken beschrieben und mit Typ I, Typ II und Typ III bezeichnet (Abb. 7).

Typ I Wolter-Optiken (siehe Abb. 7 oben) bestehen aus einem elliptischen Spiegel (oder einem parabolischen Spiegel im Falle einer sehr entfernten Lichtquelle, bei der das einfallende Licht nahezu parallel zur optischen Achse ist) gefolgt von einem hyperbolischen Spiegel. Die Lichtquelle liegt im einen Brennpunkt der Ellipse. Die Hyperbel muss so gewählt werden, dass ihr mathematischer Brennpunkt F1 (der Brennpunkt, der von der Lichtquelle weiter entfernt ist!) mit dem zweiten Brennpunkt der Ellipse (bzw. Parabel) zusammenfällt. Würde das Licht nur an dem ersten Spiegel reflektiert werden, würde es in den Punkt F1 fokussiert werden. Nach der Reflexion an der Hyperbel wird es in den Punkt F2 fokussiert. Der zweite Spiegel verkürzt also die Gesamtbrennweite der Optik. Wolter-Optiken dieses Typs werden in Röntgenteleskopen eingesetzt, weil sie eine relativ kurze Brennweite haben, weil man die Spiegel zur Steigerung der Apertur ineinander schachteln kann und weil sie das Abbé-Kriterium annähernd erfüllen und damit gute optische Abbildungen ermöglichen.

Typ II Wolter-Optiken (siehe Abb. 7 Mitte) bestehen ebenfalls aus einem elliptischen Spiegel (oder einem parabolischen Spiegel im Falle einer sehr entfernten Lichtquelle, bei der das einfallende Licht nahezu parallel zur optischen Achse ist) gefolgt von einem hyperbolischen Spiegel. Die Lichtquelle liegt im einen Brennpunkt der Ellipse. In diesem Fall muss der  mathematische Brennpunkt F1 der Hyperbel, der näher an der Lichtquelle liegt, mit dem zweiten Brennpunkt der Ellipse (bzw. Parabel) zusammenfallen. Würde das Licht nur an dem ersten Spiegel reflektiert werden, würde es in den Punkt F1 fokussiert werden. Nach der Reflexion an der Hyperbel wird es in den Punkt F2 fokussiert. Der zweite Spiegel verlängert also die Gesamtbrennweite der Optik. Wolter-Optiken dieses Typs lassen sich nicht ineinander schachteln.

Typ III Wolter-Optiken (siehe Abb. 7 unten) funktionieren nur für achsparallel einfallendes Licht, also für weit entfernte Punktquellen. Sie bestehen aus einem parabolischen Spiegel gefolgt von einem elliptischen Spiegel. In diesem Fall muss der  mathematische Brennpunkt F1 der Parabel mit dem Brennpunkt der Ellipse zusammenfallen, der näher an der Lichtquelle liegt. Würde das Licht nur an dem ersten Spiegel reflektiert werden, würde es defokussiert werden, wobei der virtuelle Fokuspunkt im Punkt F1 liegen würde. Nach der Reflexion an der Ellipse wird es in den Punkt F2 fokussiert. Der erste Spiegel verlängert also die Gesamtbrennweite der Optik. Wolter-Optiken dieses Typs lassen sich nicht ineinander schachteln.

 

Wolter-Optik Typ I:

Prinzip Wolter-Optik Typ I

Wolter-Optik Typ II:

Prinzip Wolter-Optik Typ II

Wolter-Optik Typ III:

 

Prinzip Wolter-Optik Typ III 

Abb. 7: Prinzip der Wolter-Optiken vom Typ I, II and III

 

Wolter-Optiken werden in der Astrophysik als Röntgenteleskope eingesetzt, z. B. in den Satelliten-Teleskopen Chandra, XMM-Newton und der Swift Gamma-Ray Burst Mission

 

 

[Kir 1948] P. Kirkpatrick, A. V. Baez, Formation of optical images by X-rays, Journal Opt. Soc. Am., Band 38, S. 766-774, 1948
[Mon 1957] M. Montel, X-ray microscopy with catamegonic roof mirrors, X-ray microscopy and microradiography, Academic Press, New York, S. 177-185, 1957
[Sch 1905] K. Schwarzschild, Untersuchungen zur geometrischen Optik, II. Astronomische Mitteilungen der Königlichen Sternwarte zu Göttingen, Band 10, S. 4-28, 1905
[VDI 2009b] VDI/VDE 5575 Blatt 4: 2009-xx Röntgenspiegel: Totalreflexions- und Multischichtspiegel, Berlin, Beuth Verlag, (to be published)
[Wol 1952]  H. Wolter, Spiegelsysteme streifenden Einfalls als abbildende Optiken für Röntgenstrahlen, Annalen der Physik, Band 10, S. 94-114, DOI 10.1002/andp.19524450108, 1952

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